“Versommern”, eine ganzjährige Sehnsucht nach dem Sommer, das einfache Glück der Fülle und Überfülle, des Schönen in dieser Jahreszeit. Ein Begriff, den die österreichische Autorin Valerie Fritsch in einem Essay Anfang August in der steirischen Kleinen Zeitung so wunderbar beschrieben hat und den ich in großem Umfang nachvollziehen kann. Sobald die Tage mit dem Winterbeginn wieder länger werden, fängt sie schon manchmal an, auch meine Sehnsucht nach der Wärme, die der Sommer ja zumeist mit im Gepäck hat. Die ganz große Hitze brauche ich nicht, aber die angenehmen Temperaturen, um laue Abende auf der Terrasse verbringen zu können, vermisse ich in der kalten Jahreszeit wohl am meisten.
Und nun ist er bald vorbei, dieser Sommer, der für zahlreiche Menschen etwas anders war, als ein Sommer in den vergangenen Jahren. In vielen Terminfenstern, die für ferne Reiseziele reserviert waren, hat sich heuer die “Sommerfrische” eingenistet. Tage am Lande, nicht weit weg vom Heimatort, die das “versommern” durchaus in hohem Maße zuließen. “Das einfache Glück” wohnt oft nicht weit weg, so hat auch die Tourismuswerbung den altmodischen und verstaubten Begriff der “Sommerfrische” wiederentdeckt. Dank oder Undank Covid-19 ging man damit aber im heurigen Jahr ziemlich inflationär um.
Sommerfrische assoziere ich mit Almen, Blumenwiesen, Wanderungen, Bäche mit glasklarem und kühlen Wasser, aus denen man trinken kann, die mit einem Kind zum Bauen eines Staudammes einladen, durch die man durchwaten kann und sich kalte Füße holt... . In meinem Bild der Sommerfrische sind auch nur wenige Menschen zu sehen und nicht Schlangen von Leuten, die einen Bergrücken hinaufkeuchen oder an Seen weit weg von irgendwelchen Abstandsregeln in der Sonne braten.
Mich brachte der heurige Sommer in zwei Urlauben am Anfang und am Ende des Sommers wieder einmal jeweils für ein paar Tage in das steirische Almenland, dort wo “Sommerfrische” erfunden hätte werden können. Hier lässt es sich für mich wunderbar “versommern”. “Nichts daran ist kompliziert, das Schöne macht es einem so leicht zu finden” zitiere ich nochmals Valerie Fritsch. Und dazu braucht es nicht viel. Die Nordeuropäer, die mit ihren Lebenstilkonzepten Begriffe wie “Hygge” oder “Lagom” auch in unsere Breiten brachten, kennen auch den Begriff “Niksen”, in dessem Zentrum das “Nichtstun” steht. In einer Wiese nach einer Wanderung zu sitzen und einfach in die Natur zu schauen und nicht irgendwelchen Gedankenstörungen nachzuhängen, das hat schon etwas.
“Versommern” ist für mich aber auch untrennbar mit dem Meer verbunden. Die Sehnsucht daran fängt meist im Frühjahr an, so dass ich mit meiner Familie immer wieder versuche im Früh- bzw. im Spätsommer ein paar Tage für einen Aufenthalt einzuplanen. Manchmal ist es die slowenische Küste oder Istrien, meist ist es aber das obere Italien mit den Regionen Venetien und Friaul. Wir wohnen bevorzugt im Landesinneren, machen Abstecher ans Meer, die mit dem Entdecken von noch ein paar (für uns) unbekannten Orten im Friaul verbunden werden. Aber auch in dieser wunderbaren Gegend “Bekanntes” wieder zu entdecken und zu genießen, kommt öfters vor.
Jahr für Jahr frage ich mich, warum mich das Meer in den Sommermonaten so anzieht? Bin ich doch grundsätzlich kein Freund der heißen Sonne, die Mischung aus Salz und Sand am Körper hat auch nicht unbedingt ihren Reiz. Aber ich “versommere”, wenn ich im Sand sitze, den ankommenden Wellen zusehe und beobachte, wie die Fußabdrücke langsam vom Wasser umspült werden und wieder im Sand verschwinden. Sich im Wasser treiben zu lassen und die Weite des Meeres aufzunehmen, einen Horizont vor sich zu haben, wo sich das Blau des Himmels mit den unterschiedlichsten grünblauen Farbschattierungen des Meeres zu einer Linie treffen, sind kleine Glücksmomente. Umso mehr genoss ich heuer diese Stimmung, war die kleine Reise nach Italien doch sehr kurzfristig geplant. Herrlich war, dass nicht allzu viele Menschen die gleiche Idee hatten und wir bei unseren Ausflügen und einen Strand im - um diese Jahreszeit in der Regel noch sehr belebten Grado - vorfanden, der zwar nicht menschenleer war, aber viel Platz für uns hatte; also alle Abstandsregeln konnten perfekt eingehalten werden.
Freie Tage oder einen Urlaub nach dem Motto eines "slow-travelling" zu verbringen - wie schon mehrere Beiträge auf diesem Blog zeigen - bin ich naturgemäß sehr zugetan. Die letzten Monate standen allerdings auch stark unter dem Motto “Slow-photography” - die fotografische Ausbeute war in diesem Sommer etwas dürr. Der kreative Teil in mir hat sich scheinbar auch in den “Slow-Modus” begeben, dafür wurde Einiges an tollen fotografischen Büchern konsumiert (das wäre sicher einen eigenen Blogbeitrag wert).
Mit oder ohne der “Philosophie” “Niksen” im Kopf verbrachte ich auch einige Tage im Urlaub zu Hause und versommerte auf der Terrasse ohne Gedanken im Kopf, was ich sofort tun müsste und ohne “to do list” am Tisch bzw. im Handy. Es war ein freudvolles Versäumen, der meine Social Media accounts nervös werden und sukzessive Erinnerungen aussenden ließ, dass weiß Gott wie viele Menschen schon lange nichts mehr von mir gehört hätten und es nun endlich wieder einmal Zeit wäre, dass ich mich melde. "Bernd, was machst Du gerade ?" Eine Frage, die mir öfters von meinem Handy gestellt worden ist. Da ich diese wohlgemeinten “Reminder” aber ignorierte, hat sich meine "organische Reichweite" wohl nicht nach oben bewegt und der Algorithmus wird wahrscheinlich auch künftig nicht “best friend” von mir werden, denn dazu beschäftigen wir uns einfach zu wenig miteinander.
Diese Zeilen schreibe ich an einem der letzten meiner Urlaubstage für längere Zeit und wahrscheinlich am letzten Tag des heurigen Jahres, wo es in unseren Breiten noch einmal 30 Grad haben wird. Noch einmal heute im Wasser “versommern”... . Im Hintergrund läuft Konstantin Wecker, der für meine Begriffe ein wunderbares “Sommerlied” geschrieben hat, das dieses unnachahmliche "Sommergefühl" in hohem Maße widerspiegelt:
Wenn der Sommer nicht mehr weit ist
und der Himmel violett,
weiß ich, dass das meine Zeit ist
weil die Welt dann wieder breit ist
satt und ungeheuer fett…
… das sind die ersten Textzeilen.
Jetzt liegt der Sommer also nahezu zur Gänze hinter uns und der Herbst klopft schon sukzessive an. Insbesondere in der Früh steht er schon unbarmherzig vor der Türe, auch wenn er sich tagsüber noch bemüht, dass der Wechsel der Jahreszeit einem nicht ganz so abrupt vorkommt und er noch manch schöne, wärmere Tage zulässt. So ist es aber nun doch mit dem “versommern” bald vorbei und mit dem “verherbsteln” werde ich mir etwas schwer tun.
Aber ich spürte - insbesondere in diesen letzten freien Tagen - wieder eine starke Lust am Fotografieren und ich denke, dass da Bilder dabei sind, die ich gerne teilen möchte und hoffe dem einen oder anderen damit bzw. mit meinem Blog auch ein wenig Inspiration geben zu können. Ein paar geplante Beiträge sind im Kopf und müssen noch ihre Niederschrift finden. Das Fortsetzen meiner zwei persönlichen Fotoprojekte “minimal scenery” und “Graz ist it? It is!” , weil mich das “Versommern” einfach nicht mehr ablenken kann..., rückt auch wieder in den Vordergrund meiner geplanten fotografischen Aktivitäten in meiner Freizeit.
So würde es mich freuen, wenn Ihr mich nach dem - in fotografischer Hinsicht - mageren Sommer auf diesem Blog weiter begleitet. Die fotografischen Batterien sind aufgeladen und das soll sich natürlich auch hier im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten niederschlagen.
P.S.: Die Fotos zu diesem Blogbeitrag stehen alle mit meinem heurigen Sommer in Verbindung, sind an Orten aufgenommen worden, wo es mich heuer hingezogen hat.
P.S.: Zum Thema "slow-travelling" sind schon einige Beiträge erschienen - einfach das Schlagwort "slow-travelling" unter den "Tags" anklicken und Ihr findet alle Artikel, die damit im Zusammenhang stehen.
Bilder aus meiner Serie "minimal scenery" gibt es auf Photocircle zu kaufen. Kuratierte Kunst für eine bessere Welt, denn für jeden Kunstdruck, der gekauft wird, pflanzt Photocircle Bäume in Äthiopien.
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